(Abgewehrte) Entmietungsstrategie durch Modernisierung
Eigentümer: Deutsche Wohnen (seit August 2018), davor ALW/BOW-Gruppe
Das Haus
Die BOW 2 GmbH kaufte das Haus mit seinen 16 Wohnungen und 2 Gewerbeeinheiten Ende 2016 von einem privaten Eigentümer. Die Aufteilung in Teileigentum erfolgte ein knappes halbes Jahr später, im Mai 2017. Gleichzeitig begannen auch die Planungen für eine Modernisierung, deren Anträge schon bald beim Bezirksamt eingereicht worden sind, u.a. für Balkonanbau, Außenaufzug, Dachgeschoss-Ausbau. Die beiden uralten Ahorn-Bäume im Innenhof sollten dafür fallen. Schon allein die Baumaßnahmen wären eine große Belastung für die Mieter*innen, noch schlimmer die Folgen davon: erhebliche Mietsteigerungen.
Die Mieter
Doch die Mieter*innen wehrten sich. Die meisten von ihnen wohnen schon seit Jahrzehnten in der Fidicinstraße 42, eine ältere Dame seit ihrer Geburt; der Zusammenhalt ist groß. Mühselig beschafften sie sich Informationen über die Planung, besorgten sich alle nötigen Informationen bei den Ämtern, schalteten Presse und Politik ein und machten sich für den Status quo stark.
Die Sorgen und Nöte um die eigene Zukunft und um „ihr Kreuzberg“ treiben die Mieter*innen an:
„Ich wohne hier seit 1937, seit meiner Geburt in dieser Wohnung. In diesem Haus steckt meine ganze Erinnerung. Mein ganzes Leben. Ich liebe die Gegend, die Menschen, ich liebe die Straßen, das Kopfsteinpflaster. Da habe ich schon als Kind Ball gespielt. Und was mache ich, wenn ich hier raus muss. Ich will nicht weg. Ich kann mir keine teure Wohnung leisten. Kann man doch nicht einfach machen und sagen nun geh!“
„Wir haben hier zwei Bäume im Hinterhof, die sind älter als alle Mieter hier, über 100 Jahre alt: Doppelt so alt wie ich. Ich lebe ja quasi in den Bäumen. Und jetzt stören die Bäume. Die stören scheinbar den Profit. Das erschreckt!“
„Ich liebe Kreuzberg. 100 Prozent. Das ist mein Kiez. Und ich will gerne hier bleiben. Ich bin seit 20 Jahren hier. Ich liebe die Läden, die Straßen, die Leute. Es ist eine Yuppie-Ecke geworden. Das schlimmste für die türkischen Families ist, dass sie sich die Mieten nicht mehr leisten können. Die müssen Kreuzberg verlassen. Damit verliert Kreuzberg seinen Charakter. Die Kultur ändert sich. Ganz, ganz schnell.“
„Jetzt wo hier Balkone hinkommen. Mein Balkon ist der Kreuzberg. Iss‘en Balkon jetzt Kunst? Das lokale Geschäft geht raus. Yuppies kommen rein. Touristen werden nach Kreuzberg gelockt mit der Kunstszene. Aber die Künstler werden vertrieben. Da werden nur noch etablierte Künstler hierher kommen können, die sich teuren Atelierraum leisten können. Leben und arbeiten in einem Raum, in einer guten Umgebung. Das ist viel wert. Das wird nicht mehr sein.“
Wehrhafte Mieter*innen bringen auch das Bezirksamt auf Trab
Schlussendlich sind die Mieter erfolgreich: das Bezirksamt verweigerte die Genehmigung für die geplanten Baumaßnahmen aufgrund stadtplanerischer Bedenken (Milieuschutz). Wie es weiter geht, ist noch unklar.
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